15 September 2013

Der Eine trägt des Andern Last

Partner von Borderliner-Persönlichkeiten besitzen oft ähnliche Wesensmerkmale. Diese lassen unschwer erkennen, dass ihre Persönlichekeitsstruktur für eine gemeinsame Achterbahnfahrt geradezu prädestiniert ist. Die Dramatik dieser Tatsache liegt in zwei wesentlichen Bereichen. Zum einen wird ein Partner, der ebenfalls Persönlichkeitsdefizite aufweist, von dem, was eine Borderliner-Persönlichkeit ausstrahlt, fasziniert. Der Charm kann betörend sein und spricht die Defizite des künftigen Partners beeindruckend an. Borderliner sind in der Lage, sich aufgrund ihrer empathischen Wahrnehmung sehr gut auf Menschen einzustellen. Ihr Bedürfnis nach Identifikation ist so gross, dass sie sich zunächst mühelos anpassen und es dem Partner ermöglichen, eine unglaubliche Einheit, Nähe und Seelenverwandtschaft wahrzunehmen. Die emotionale Reaktion daraus ist tatsächlich überwältigend und ein Grund dafür, warum Partner von Borderliner-Persönlichkeiten trotz der oft katastrophalen Beziehungsverläufe an der Partnerschaft festhalten. Der der Borderline Störung zugrunde liegende Abspaltungsmechanismus, schliesst die Verantwortungsübernahme für die eigene Emotionalität und Bedürftigkeit aus und lastet diese grundsätzlich der Bezugsperson an. So schlussfolgert der Betroffene, dass der Partner für das momentane Erleben zuständig ist. Um sich in dieser unerträglichen Situation orientieren zu können, nutzt er die typische, symtomatische Verzerrung der Realität. Er kontrolliert und agiert die aus seiner Angst resultierenden Spannungen an seinem Partner aus. Aus der Konsequenz ergibt sich daraus oft das, was der Borderliner eigentlich zu vermeiden versucht - das Gefühl, den Ansprüchen des Gegenübers nicht zu genügen, was in ihnen Leere/Depression/Enttäuschung/Einsamkeit auslöst. Die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen, heisst für sie, aufzuhören zu existieren. Sie wissen nicht, wie sie auf die Bedürfnisse anderer achten können, ohne gleichzeitig den minimalen, kräftezehrenden Bezug zu sich selbst zu verlieren. Zum eigenen Schutz wenden sie sich dann von ihren Partnern ab. Schwarz als radikale ICH-Bezogenheit, Abwendung und Abwertung und Weiss als extreme Hingabe, Zuwendung und Idealisierung. Die Auseinandersetzung mit unangenehmen Gefühlen, die im Umgang mit anderen Menschen immer wieder entstehen können, beeinträchtigen die Borderliner-Persönlichkeit dermassen stark, dass diese nicht mehr in der Lage ist, sich auch an angenehme Gefühle zu erinnern, die ebenfalls durch den Kontakt mit dieser Person stattgefunden haben. Sie nimmt entweder nur das Eine oder das Andere wahr. Die positiv, wie auch die negativ wahrgenommenen Gefühle in Zusammenhang mit einer Person zu bringen, ist für sie nicht möglich. Sie impliziert ihrem Partner die Verantwortung für ihre emotionale Belastung, die sie selbst nicht tragen kann. Zeigt sich ebenso wenig in der Lage, ihren inneren Konflikt realistisch wahrzunehmen oder den Bezug zur Ursache für diesen Konflikt zu finden. Die Konsequenz daraus ist, dass keine situationsgerechte Strategie entwickelt werden kann, um dem Bedürfnis zu entsprechen, welches das eigentliche Defizit aufweist. 

Geben wir Liebe, wenn wir uns der Instabilität der Borderliner anpassen? Ist unsere Haltung, geduldig zu ertragen, Konflikten auszuweichen und zu tolerieren, was nicht mehr zu tolerieren ist, hilfreich? Manipulationen nachzugeben und sich bedingungslos an instabile Verhaltensweisen anzupassen, führt unweigerlich zur Verlust unserer Integrität, dem Bezug zu sich selbst. Bevor wir uns dieser Entwicklung ergeben, sollten wir uns dringlich aus einer solchen Partnerschaft lösen. Wenn wir nicht im Stande sind für uns einzustehen, werden wir an dieser Bindung zerbrechen, das kann ich versprechen. Wer in einer derartigen Partnerschaft lebt, sollte in der Lage sein, die Gegebenheiten real und objektiv einzuschätzen, um hilfreich und unterstützend zu wirken. Das hinter vielen Wutausbrüchen versteckte "Halte mich" kann nur durch ein "Halt", dem Setzen von Grenzen, entsprochen werden. "Halt" heisst, sich nicht den Schwankungen anzupassen, sondern Stabilität und Konsequenz zu zeigen. Ersetzen wir also "ich liebe dich" durch "Stop bis hier her und nicht weiter" und geben wir ihnen so die Chance, ihre Selbstwahrnehmung zu fördern. Delegieren wir die Verantwortung dahin zurück, wo sie hingehört.

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