04 Oktober 2013

Leseprobe! "Am Ende bleibt der Schmerz & die Frage WARUM?" Beziehungs Dynamik aus beiden Perspektiven geschildert, inklusive der Aufklärung

KEVIN: Als wir schließlich eine passende Wohnung fanden, freuten wir uns sehr. Ich hatte meine alte Wohnung gekündigt ohne lang überlegen zu müssen. Aber als ich sie fragte, ob sie ihre Wohnung schon gekündigt habe, wechselte sie sofort das Thema und sagte irgendwas über ihre letzte Beziehung und über ihre Angst, dass das alles so schnell gehe. Es war für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Weil ich Verständnis für sie aufbringen konnte, gestand ich ihr zu, ihre Wohnung zu behalten. Schließlich hatte sie bis jetzt kein Glück mit Männern. So hatte auch ihr letzter Freund sie betrogen und aus der Wohnung geworfen, ganz zu schweigen von dem, was andere Männer ihr angetan hatten. So habe ich versucht, damit zurecht zu kommen, dass sie eben etwas mehr Sicherheiten brauchte als ich und habe es aus meinem Bewusstsein verdrängt. Sie würde im Laufe der Zeit schon merken, dass sie mir vertrauen kann. Und, dass es anders sein wird, als mit ihren bisherigen Männern. 
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ANNA: Es machte richtig Spaß verschiedene Wohnungen anzuschauen. Es war wie im Film. Wir zwei Verliebten suchten ein passendes Nest. Wir entwarfen in unseren Gedanken und Worten unsere gemeinsame Zukunft, schmückten sie mit unseren Träumen und stellten fest, dass wir die gleichen Träume hatten. Meinungsverschiedenheiten konnten wir uns noch nicht einmal vorstellen. Wir entschieden uns für eine schöne Wohnung und erhielten auch sofort die Zusage. Es durchzog allerdings ein flaues Gefühl meine Magengrube, als er mir mitteilte, dass er seine Wohnung gekündigt habe, ein ganz komisches Gefühl. Auf einmal wollte ich meine Wohnung nicht mehr kündigen, denn wer weiß ob die Beziehung Bestand haben würde? Angenommen es gäbe einen Streit, was sollte ich tun, wohin sollte ich mich zurückziehen? Auf einmal sah ich ihn aus anderen Augen. Wollte er mich aus meinem Leben wegreißen, mir meine Zuflucht nehmen? War es richtig, mit ihm gemeinsam diese Wohnung zu beziehen? Es war ein unbeschreibliches Chaos in meinem Kopf.  Als er dann noch anfing zu fragen, warum ich meine Wohnung noch nicht gekündigt hätte, fühlte ich mich eingeengt. Wollte er mich zu seinem Eigentum machen? Ich fühlte mich schlecht, ich fühlte mich leicht schuldig, weil ich meine eigene Wohnung nicht gekündigt hatte. Denn irgendwo hatte ich das ja auch versprochen, indem ich mich auf eine gemeinsame Wohnung eingelassen hatte und zwei Wohnungen konnte ich nicht bezahlen. Ich hatte Angst vor der Endgültigkeit. Ich rechtfertigte mich, indem ich ihm etwas aus meinen bisherigen Beziehungen erzählte. Denn das war teilweise ganz entsetzlich gewesen. Und dafür musste er doch einfach Verständnis haben, jedenfalls wenn er der richtige Mann für mich war. Ich wusste gar nichts mehr, es wurde eng. Ich hatte das Gefühl, zu ersticken. Ich verstand nicht, was los war. Ich wusste nur: Ich muss ganz schnell weg. Zum Glück meldete sich mein Ex bei mir. Mit ihm ging ich abends essen. Es war eine kleine Erleichterung für mich, denn ich hatte das Gefühl, dass Kevin mich vereinnahmen wollte. Es fühlte sich so an, als ob ich dadurch mich und mein Leben verlieren würde.
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ERKLÄRUNG: Ihr wird in einem klaren Moment bewusst, dass sie ihn eigentlich noch nicht kennt und nicht weiß, wie es mit ihm werden wird. Sie versteht nicht, dass die Angst, die sie hat, zu einem Teil darauf beruht, dass sie sich bisher nur auf einer illusionären Ebene der Verliebtheit begegnet sind. Die Realität und der Mensch, mit seiner ganzen Persönlichkeit, hatten bisher noch gar keine Chance sich zu offenbaren. So hegt sie Zweifel, verfällt der Ambivalenz und berechtigten Unsicherheiten. Ihre Angst vor dem „verschlungen werden“ taucht auf, obwohl sie selbst die Situation maßgeblich herbeigeführt hat. Planen, träumen, sich alles schön auszumalen, hat Anna Spaß gemacht. Freude auf etwas Neues hat Ihre Sehnsüchte geweckt. Als sich nun die Realität dessen zeigt, hat sie Angst vor der Entscheidung, Angst verschlungen zu werden, Angst vor der Endgültigkeit.  Diese Ängste kann sie nicht verbalisieren, und erzählt Kevin nur, über ihre schlimmen Erfahrungen mit anderen Männern. Sie fühlt sich in seiner Realität eingesperrt, hat Angst „den Ausgang“ nicht mehr zu finden und zu ersticken.Erleichterung kann eintreten, als sie sich der Beziehung entwindet und ihren Ex sieht. Denn da ist sie ganz weit von ihrer jetzigen Beziehung entfernt. Wie in einem Paralleluniversum. Sie flüchtet aus Kevins Realität, die ihr im Moment der Entscheidung große Angst macht und eng wird. Annas Reaktion schockt Kevin zuerst. Aber er relativiert diese Situation, indem er Rücksicht auf sie nimmt. Denn „sie hatte kein Glück bis jetzt, und es ist ok, es langsamer anzugehen“. Er versucht, Verständnis für Anna aufzubringen und hofft, dass sie schon merken wird, dass sie ihm vertrauen kann.

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